Eine Kirche erzählt ... (Teil 6)


Die weitere Entwicklung der Pfarrgemeinde nach 1960

Als neuer Seelsorger wurde am 3. Adventssonntag 1959 Pfarrer Franz Wagner in einem feierlichen Gottesdienst von Dekan Dr. A. Beil, Heidelberg in sein Amt eingeführt. Pfarrer Wagner wurde am 27. September 1928 in Mannheim-Waldhof geboren und von Erzbischof Wendelin Rauch am 25. Mai 1952 im Freiburger Münster zum Priester geweiht. Mit Wirkung vom 1. Januar 1960 wurde der nördliche Bezirk vom Dekanat Heidelberg getrennt und das alte Dekanat Weinheim neu errichtet.

Das Jahr 1958 brachte der katholischen Kirche in Johannes XXIII. einen neuen Papst. 1962 beruft er als epochales Ereignis das Zweite Vatikanische Konzil nach Rom ein. Nach der ersten Überraschung überwiegt weltweit begeisterte Zustimmung. Die Pfarrgemeinde hält eine Gebetswoche für das Konzil. Dieser Papst geht neue Wege, er sucht die Begegnung mit der modernen Welt. Die Versammlung der Bischöfe mit dem Papst in Rom dauert mit den vorgesehenen Unterbrechungen vom Oktober 1962 bis Dezember 1965. Als Folge des Konzils ergeben sich für die Arbeit auf Gemeindeebene zwei Schwerpunkte: Erneuerung der Liturgie und der Verantwortung der Laien in der Kirche aufgrund des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen.

Die Liturgie ist - nach den Worten des Konzils - "der Gipfel, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt". Das Konzil will keine neue Liturgie schaffen, sondern die Liturgie erneuern. Was vielfach "neu" erscheint, ist in Wirklichkeit ein Rückgriff auf alte Inhalte und Formen: Stellung des zelebrierenden Priesters zum Volk hin, aktive Mitfeier der Gemeinde, Vielfalt der liturgischen Dienste, Wiederentdeckung alter Gebetstexte und reichere Entfaltung des Wortes Gottes. Die erneuerte Liturgie ist einfacher, durchsichtiger und somit verständlicher geworden, nicht zuletzt durch den Gebrauch der Muttersprache statt des Lateinischen. 1964 wird die Erneuerung in Hemsbach schrittweise eingeführt. Nach und nach werden in der Pfarrei Meßfeiern für bestimmte Gruppen heimisch: Frauen-, Jugend- und Kindergottesdienste. Die erneuerte Liturgie stellt neue Anforderungen an den Kirchenchor. Unter Dirigent Albert Wind erlebt der Cäcilienverein einen erfreulichen Aufschwung; er kann 1977 sein 100jähriges Bestehen feiern.

Ab 1968 werden "Bußandachten" gehalten, die von den Gläubigen dankbar angenommen werden. Die "Vorabendmesse zum Sonntag" erreicht mit ihrer Besucherzahl die des Hochamtes am Sonntag. 1975 wird das neue Gesangbuch "Gotteslob" eingeführt.

Der zweite Schwerpunkt des Konzils betrifft die Mitarbeit der Laien. "Weil die Laien durch Taufe und Firmung mit Christus verbunden sind, haben sie das Recht und die Pflicht zum Apostolat (...) Da Laien und Priester die Ausübung des Apostolates gemeinsam ist, müssen sie immer zusammenarbeiten. Durch die Errichtung beratender Gremien auf allen Ebenen wird eine Koordinierung der Arbeit gefördert."

Am 12. November 1967 wurde der Pfarrausschuß in Pfarrgemeinderat umbenannt. Die erste Pfarrgemeinderatswahl der Pfarrei fand am 26. Januar 1969 statt. Seitdem findet die Neuwahl des Gremiums, das nach seinen Statuten "an der Leitung der Pfarrgemeinde beteiligt und berufen ist, das Leben in der Gemeinde mitzugestalten", alle vier, neuerdings alle 5 Jahre statt. Zusammen mir dem Pfarrer bemühen sich 18 Männer und Frauen, diesem Auftrag gerecht zu werden.

Nach 12 Jahren erfolgreichen Wirkens verabschiedet sich Pfarrer Wagner am 19. September 1971 im Hochamt von seiner Gemeinde. In seiner Amtszeit waren der Kindergarten St. Laurentius mit Pfarrsaal und das Schwesternhaus mit Pfarrbücherei in imponierender Eigenarbeit gebaut und am 16. August 1964 eingeweiht worden. Diese Leistung wird auch in Zukunft unvergessen bleiben. Kurz vor der Verabschiedung von Pfarrer Wagner konnte am 17. Juni 1971 der Katholische Kindergarten in Hemsbach-West eröffnet werden.

Am 22. September 1971 übernimmt Pfarrer Günther Fackler die Pfarrei Hemsbach. Das Protokollbuch des Pfarrgemeinderates berichtet: "Am 21. November 1971 wird der 1896 gegründete Arbeiterverein, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg "Werkvolk" nannte, dem Bundesverband KAB angeschlossen, er nennt sich jetzt "Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Hemsbach". Sie sieht ihre Aufgabe und Verantwortung in den Bereichen Beruf und Arbeitswelt, Familie, Kirche und Gesellschaft. Am 5. März 1972 findet die Neueröffnung der Pfarrbücherei statt. Spätere Buchausstellungen verstehen sich als Hilfe, gute Bücher zu finden und den Sinn dafür zu entwickeln".

Das Konzil sprach von der "Kirche in der Welt von Heute", die nicht mehr wie früher christlich geprägt ist. Das Exerzitienangebot traditioneller Art wird durch zeitgemäße Kurse in der Pfarrei, dem Dekanat und auf Diözesanebene ergänzt. Ein wichtiges Ergebnis des Konzils ist der Neuansatz in der ökumenischen Bewegung. Die Sorge um die Einheit hat Jesus Christus selbst seinen Jüngern aufgetragen. Sein großes Gebetsanliegen für die Seinen lautet: "Daß alle eins seien!" Begegnungen, gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit der Konfessionen verlangen von jeder Seite die ständige Bereitschaft, alte Vorurteile abzubauen und die Bereitschaft von einander zu lernen. Nur so können wir Christen gemeinsam Zeugnis für Christus ablegen. Erste Ansätze einer Annäherung zwischen beiden Gemeinden sind in den Protokollen des Pfarrgemeinderates 1964 festgehalten. Ökumenische Gebetswochen, wie sie sich bis heute erhalten haben, finden statt. 1972 konstituiert sich ein Ökumenischer Arbeitskreis als Möglichkeit der Begegnung in Dialog und Austausch; gemeinsame Aktionen verschiedener Art werden beschlossen und durchgeführt. Viele Veranstaltungen der einen oder anderen Gemeinde bekommen von selbst eine ökumenische Note; das Leben miteinander wird selbstverständlicher und unkomplizierter.

Noch eine andere Einheit ist uns Christen in Europa aufgegeben, die ebenso Versöhnung und damit Bekehrung voraussetzt: Die Einheit der europäischen Völker. Hier haben Christentum und Kirche eine Brückenfunktion. Was in den Verschwisterungen zwischen der französischen Stadt Bray-sur-Seine und der englischen Stadt Wareham mit der Stadt Hemsbach grundgelegt wurde, gewinnt auch auf kirchlicher Ebene Bedeutung. Anläßlich der Partnerschaftsvereinbarung mit Bray-sur-Seine fand am 6. Mai 1973 ein Festgottesdienst in der St. Laurentiuskirche statt. Die Begründung der Partnerschaft mit Wareham wurde von den beiden Kirchengemeinden mit einem ökumenischen Gottesdienst am 1. Mai 1987 begangen.

"Froh zu sein bedarf es wenig" lautet die Aussage eines Jugendliedes. Glaube und Freude gehören für den Christen zusammen. Dies bezeugt die Pfarrei über den Gottesdienst hinaus bei Festen und Feiern. Auch hier gab es einen Wandel in Stil und Form im Laufe der Jahre. An Fastnacht brechen Freude und Humor nach Bergsträßer Art durch. Aus dem Kappenabend und Kostümball des Cäcilienvereins wird 1970 die "Pfarrfastnacht" mit Büttenreden und humoristischen Darbietungen. Seit Jahren feiert die Frauengemeinschaft ihren Frauenfasching. Der Familienabend der Pfarrei konnte sich im Laufe der Zeit nicht mehr halten. Statt dessen entstand die neue Tradition des "Pfarrfestes", das jährlich als mehrtägiger "Bazar" gefeiert wird. Der Stammestag der Pfadfinder und das "Kaffeekränzchen" des Kirchenchors am Cäcilienfest gehören genauso zum Festprogramm der Pfarrei wie das "Oktoberfest" und die Sommerfeste der Kindergärten. Seit 1974 treffen sich ältere Gemeindemitglieder monatlich im Seniorenclub "Frohes Alter".

Das Bild vom pilgernden Gottesvolk auf dem Weg, ist uns seit einigen Jahren wieder geläufig. Bei Wallfahrten und Fahrten zu kirchlichen Anlässen wurde dies besonders deutlich. Die großen internationalen Wallfahrtsstätten , Rom, Lourdes, Fatima, Maria-Zell und andere wurden von der Pfarrgemeinde gerne wahrgenommen. Auch die jährliche Wallfahrt nach Leutershausen und der Ausflug der Frauengemeinschaft, die Fahrten der anderen katholischen Vereine erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Pfarrjugend - Ministranten, Mädchenjugend und Pfadfinder - treffen sich zu Gruppenstunden und zeigen besondere Aktivitäten bei Ferienfreizeiten und Zeltlagern.

Alljährlich am Pfingstmontag findet die Sternwallfahrt zum Kreuzberg statt, die in den letzten Jahren eine deutliche Aufwertung erfuhr und bis zu 2000 Gläubigen aus Hemsbach, Laudenbach, Sulzbach und weiteren benachbarten Gemeinden versammelt.
Die Pfarrgemeinde zeigte sich stets offen gegenüber den Anliegen der Mission. Mittlerweile sind "Dritte Welt" und "Kirchliche Entwicklungshilfe" Begriffe, aus denen Mitverantwortung und neue Aufgaben erwachsen. Die Aktionen MISEIORS, MISSIO und ADVENIAT finden große Unterstützung. Die STERNSINGER kehren vom Dreikönigssingen, bei dem sie für notleidende Kinder in aller Welt sammeln, mit Spenden in erstaunlicher Höhe zurück.

Besondere Erwähnung verdienen die Ordensschwestern aus der "Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Erlöser", die seit 93 Jahren alte und kranke Menschen in unserer Stadt betreuen. Viele Jahre widmeten sie sich auch der Pflege von Kleinkindern. Für die Pfarrgemeinde gibt es viele Gründe, den Schwestern herzlichen Dank zu sagen für ihr Zeugnis und segensreiches Wirken. In den Dank sollen auch die zahlreichen Ordensfrauen eingeschlossen sein, die aus unserer Pfarrei hervorgingen und einst der Berufung zum geistlichen Stand folgten. Sie alle haben am Aufbau des Reiches Gottes unter den Menschen wertvolle Dienste geleistet. Die örtliche Krankenpflegestation ist heute in der Katholischen Sozialstation Weinheim aufgegangen. Die Pfarrei gehört zu den Trägergemeinden der Sozialstation, der auch die ehrenamtliche Arbeit der hiesigen "Nachbarschaftshilfe" zugeordnet ist.

Die Beiträge zur Geschichte der Pfarrei St. Laurentius Hemsbach und die Auszüge aus der Pfarrchronik wollten vom Glauben unserer Vorfahren und vom Werdegang unserer Pfarrei im Wandel der Zeit berichten. Vieles ist ohne Frage zeitbedingt und erscheint uns heute fremd, bisweilen kurios. Dennoch sind sie wert, dem Vergessen entrissen zu werden, weil sie unstreitbar zu den Voraussetzungen gehören, die das Selbstverständnis unserer Pfarrgemeinde durch all die Jahre geprägt haben. Heute stehen wir vor neuen Herausforderungen. Der Blick auf die Glaubenstreue früherer Zeiten kann uns Mut machen, uns auch in Zukunft zu Christus und seiner Kirche zu bekennen und uns hier am Ort für eine glaubwürdige Gemeinde einzusetzen.

 

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