Eine Kirche erzählt ... (Teil 4)


Die Kirche im Dorf

Der schützende und zugleich beherrschende Standort der Kirche oberhalb des Ortes ist Sinnbild der Bedeutung, die der Kirche im Dorf zukam. Über Jahrhunderte prägte sie das Gottes- und Weltbild der Dorfbewohner. Sie bestimmte maßgeblich, was als gut und böse, wichtig und unwichtig galt. Kirche und Dorf bildeten eine Einheit. Die heutige Trennung von kirchlichem und weltlichem Bereich wäre für den mittelalterlichen Menschen unvorstellbar gewesen. Der Mensch des Mittelalters sah die natürliche Welt noch als Ganzes. Das Geschaffene war ihm durch die Heilstat Christi umfassend geheiligt. Dieser Zusammenhang konnte zwar durch die Sünde geschwächt, aber nie zerstört werden. Garanten des Heils waren die Heiligen, für unsere Gemeinde der heilige Laurentius, der heilige Bonifatius, die heilige Katharina und der heilige Wendelin.

In Urkunden wird aufgezeigt, wie geschichtliche und kirchengeschichtliche Strömungen im Dorf erfahrbar wurden. Spürbar wurden die Folgen der Machtkämpfe, in die die Mainzer Erzbischöfe in ihrer Rolle als Kurfürsten und Kanzler verstrickt wurden. Ein großer Anteil der Rechte kam den Dorfherrn, den Fürstbischöfen von Worms zu. Sie besaßen das Patronat über die Kirche. Das Patrozinium ist die Schutzherrschaft eines Heiligen über eine Kirche oder über kirchliche Betreuung. Die spätmittelalterliche Volksfrömmigkeit fand in der Heiligenverehrung ihren stärksten Ausdruck. Das Patrozinienwesen wurde so verfeinert, daß sogar die Zuständigkeit der einzelnen Heiligen für besondere Bevölkerungsgruppen und bestimmte Tätigkeiten festgelegt war. Eine wichtige Rolle im kirchlichen Leben spielten nach der Reformation die Pfälzer Kurfürsten. Sie waren Landes- und Gerichtsherren und Bischöfe der reformierten und lutherischen Kirche in der Pfalz.

Die Menschen im Dorf erlebten die großen Zeiten der Kirche und den Auftrieb der Reformbewegungen. Sie litten aber auch unter Fehlentwicklungen. So stellte sich die Kirche für den Dorfbewohner wechselnd da: verkündigend und lehrend, dienend und helfend, nach Macht strebend und für Andersdenkende bedrohlich.

Quelle: Kühner, Hemsbach 2001.

Kirchliches Brauchtum - Ausdruck lebendigen Glaubens

Die Zeit zwischen 1700 und 1780 darf man als einen Abschnitt in der Pfarrgeschichte bezeichnen, in dem das religiöse katholische Leben blühte.
Unter anderem war die Verehrung des heiligen Kreuzes ein Zeugnis des frommen Sinnes der Hemsbacher Katholiken. Vor Einweihung der neuen St. Laurentius-Kirche im Jahr 1751 bauten die Katholiken am Weg zum Kreuzberg auf dem Gewann Au als Vorstation ein Bergkapellchen, und auf dem Kreuzberg wurde die Kapelle ausgebaut und erweitert. Für die Einsiedler, die aus dem Dritten Orden des heiligen Franziskus kamen, baute man eine Eremitage.
Jährlich pilgerten Tausende zum Kreuzberg. An den Hauptwallfahrtstagen: Kreuzauffindung, Pfingstmontag, Kreuzerhöhung und am St.Wendelinus-Tag kamen Prozessionen aus allen Pfarreien des Bergsträßer Landkapitels und aus Pfarreien der Diözese Worms zur Wallfahrtskapelle. Feierliche Prozessionen zogen an Fronleichnam und am 22. August, dem Tag der "Ewigen Anbetung" durch die Straßen und Gassen der Gemeinde. Eifrig beteiligten sich die Gläubigen aber auch an den jährlichen Wallfahrten nach Walldürn, Maria Einsiedel bei Gernsheim, Waghäusel und Oggersheim.
Entlang der Prozessions- und Wallfahrtswege wurden Kreuze errichtet. Das Kreuz, heute noch vor der Kirche, mit der Inschrift: "Nicht das Holz und Stein ich ehre, nur die Glorie Jesu mehre" wurde 1750 gestiftet. Es ist dies eine typische Kreuzinschrift für Gegenden in denen - wie hier in Hemsbach - Katholiken und Reformierte zusammenlebten. In der reformierten Kirche war die Darstellung Jesu am Kreuz verboten.

Quelle: unbekannt

Um 1750 zählte die weitverzweigte Pfarrei 1759 Seelen. Es wohnten in Hemsbach 612, auf dem Rennhof 46, in Balzenbach 17, auf dem Watzenhof 14, auf dem Schafhof 9, in Sulzbach 212, in Laudenbach 618 und in Ober-Laudenbach 231 Katholiken.
Aus dem Jahre 1760 wissen wir, daß die Kirche für den sonntäglichen Gottesdienst bis 10.00 vormittags und wieder ab 2.00 Uhr nachmittags den Katholiken zugewiesen war. Für Kinder und junge Leute bis zum 22. Lebensjahr mußte jeden Sonntagnachmittag Christenlehre gehalten werden. Im gleichen Jahr fand hier in der Pfarrei und in der Filiale Laudenbach eine Volksmission statt, "auf daß die religiöse Innerlichkeit bei der großen äußeren Aktivität nicht zu kurz komme".
1787 wurde auf Veranlassung des letzten Mainzer Kurfürsten Friedrich Karl Josef von Erthal ein neues Gesangbuch eingeführt, das besonders wegen seiner deutschen Hochämter, anstelle der seitherigen lateinischen, beim Volk zunächst auf großen Widerstand stieß.
Der Verfasser des neuen "christkatholischen Gesang- und Gebetsbuches", der Mainzer Pfarrer von St. Ignaz E.X. Turin hatte sich bemüht "nach der Lehre des Evangeliums und dem Sinne der Kirche, Verstand und Herz der betenden und singenden Menschen für Gott und die Religion Jesu Christi zu gewinnen".

Kirchenraub Anno 1785

Einer Diebesbande war es 1785 gelungen, ein vergittertes Sakristeifenster aufzubrechen und die wertvollen Kelche, Monstranzen und mehrere Meßgewänder zu rauben. Der damalige Pfarrer Josef Wolfgang Keck berichtete am 5. April dem Mainzer Domkapitel, dass der Gesamtschaden 800 Gulden betragen hat. Von den Tätern und dem Verbleib des Kirchenschatzes konnte trotz eifrigen Nachforschens nie etwas in Erfahrung gebracht werden.
Aus den Protokollen des Mainzer Domarchivs erfahren wir, dass der Wormser Weihbischof Stephan Alexander Würdtwein (1783-1796) am 12. April 1785 in Worms "einen Kelch mit Patene für die Pfarrkiche in Hemsbach, Diözese Mainz, die acht Tage zuvor aller heiligen Gefäße beraubt wurde" geweiht hat. Weitere zwei Kelche mit Patenen, ein Ziborium und eine Lunula weihte er am 13. Mai 1785.

Die kirchlichen Verhältnisse um 1800

Vor dem Jahre 1800 begann in der großen Welt eine Zeitenwende. Unter den Auswirkungen der französischen Revolution und des kirchenfeindlichen Aufklärertums brach eine Jahrhunderte alte staatliche und kirchliche Ordnung zusammen. 1757 wurde Mainz mit dem linksrheinischen Teil des Kurfürstentums der Französischen Republik einverleibt. Die Pfarrei St. Laurentius Hemsbach mit allen ihren Filialen gehörte damals zur Erzdiözese Mainz. Die Unterhaltungspflicht der hiesigen Kirche, für Chor und Kirchenschiff oblag dem Domkapitel des Mainzer Erzbistums. Für die Verwaltung des Erzbistums war das Erzbischöfliche Vikariat Aschaffenburg zuständig. Erzbischof Karl Theodor von Dalberg (1802-1812) war nur noch dem Namen nach Erzbischof von Mainz; er residierte in Regensburg, das ihm gewissermaßen zum Ausgleich mitunterstellt wurde. In seiner Eigenschaft als Bischof von Worms errichtet er in Lampertheim ein Vikariat. Damit war eigentlich das Ende des Erzbistums Mainz und Bistum Worms gekommen.
Die Reichsstadt Worms verlor ihre Bedeutung als selbständiger Stadtstaat. Das weltliche Territorium des Wormser Bischofs fiel Frankreich und damit entschädigten Landesfürsten zu. Die Grundlage des Fürstbistums als weltliche Herrschaft, zu der von 1485 bis 1705 Hemsbach gehörte, war zerstört.
Das Patronatsrecht der St. Laurentius-Kirche war infolge der geänderten politischen Verhältnisse von Kurmainz an das Großherzogtum Hessen übergegangen. Großherzog von Hessen-Darmstadt war Ludwig I.(1790-1830). Hessen übernahm vom Mainzer Domkapitel die Besitzrechte an der Kirche. Chor und Kirchenschiff, für deren Unterhaltung seither die Mainzer Hofkammer und die Mainzer Domherren zuständig waren, wurden der Bauaufsicht des Hessisch-Großherzoglichen Bauamtes in Darmstadt unterstellt.
Nach den Bestimmungen des Friedensvertrages von Lunéville, 1801, sollten die deutschen Fürsten für ihre Verluste an Land und Leuten in den an Frankreich abgetretenen linksrheinischen Besitzungen entschädigt werden. Die zweijährigen Verhandlungen fanden am 25. Februar 1803 ihren Abschluß. Sie führten zur Auflösung der Rheinpfalz und zum Übergang Hemsbachs an Baden. Am 25. Juli 1803 huldigten in Ladenburg die weltlichen Vertreter der Gemeinde Hemsbach dem Markgrafen Karl Friedrich von Baden. Die Geistlichen erhielten die Weisung zur Änderung des Kirchengebetes für den Landesherren. Die Kellereiorte Hemsbach, Laudenbach und Sulzbach wurden vom Amt Ladenburg getrennt und dem Amt Weinheim zugeteilt. Durch Verordnung am 26. November 1809 wurde das Großherzogtum Baden in "Kreise" eingeteilt. Hemsbach, im Amt Weinheim gelegen, gehörte zum sogenannten Neckarkreis.
Auf kirchlichem Gebiet waren mit dem Übergang an Baden tiefgehende Veränderungen verbunden. Durch die badischen Edikte am 11. Februar 1802 und 14. Mai 1807 erhielten alle Konfessionen im Land Anerkennung und staatlichen Schutz. Markgraf Karl Friedrich wurde Oberhaupt der Reformierten und Lutherischen Kirche von Baden.
Die Regierung erteilte 1801 der lutherischen Gemeinde Hemsbach die Erlaubnis zur freien Religionsausübung. Damit war das Recht verbunden, die Simultankirche für ihre Gottesdienste zu benutzen. Die lutherische Gemeinde Hemsbach, zu der Sulzbach, Laudenbach und Ober-Laudenbach gehörten, zählte 330 Gemeindemitglieder. Seelsorger der Lutheraner war der Weinheimer Altstadtpfarrer. Schon 1724 hatten die Lutheraner die freie Religionsausübung gefordert. Vor allem die reformierten Pfarrer, die sich auf die Verfügungen im Regensburger Rezess berufen hatten, in dem nur die katholische und reformierte Religion in Hemsbach und Laudenbach zugelassen war, verhinderten die Entfaltung der Lutheraner. Sie erreichten durch einen Erlaß des Oberamtes Ladenburg, daß den lutherischen Pfarrern alle kirchlichen Amtshandlungen und die seelsorgerliche Betreuung ihrer Gläubigen verboten wurde. Von den Spannungen zwischen den protestantischen Konfessionen berichten die katholischen Kirchenbücher. Viele Lutheraner ließen vor 1780 ihre Kinder vom katholischen Pfarrer taufen und ihre Angehörigen katholisch beerdigen.

Die Erweiterung der St. Laurentius-Kirche in den Jahren 1807/1808

Vor dem Erweiterungsbau der Kirche wurden die Besitzverhältnisse der Kirchengüter in Hemsbach und Laudenbach neu geregelt. Eine Kommission stellte fest, welche Kirchengefälle, Pfarr- und Lehrerkompetenzen bestanden. Auf Grund dieser Feststellungen wurde das Kirchenvermögen am 24. Oktober 1806 hälftig geteilt. Gegen diese Teilung erhoben die Lutheraner Einspruch. Sie verlangten, daß ein Drittel des Kirchenvermögens ihnen zugeteilt wird. Ihr Antrag wurde von der badischen Landesregierung abgelehnt.
Nach der Teilung des Kirchenvermögens im Jahre 1806 stellten die Kirchenvorstände der katholischen und reformierten Pfarrei, unterstützt von dem damaligen Hemsbacher Schultheiß Georg Anton Wigand, den Antrag, die zu klein gewordene Kirche zu erweitern. Von der hessischen Hofkammer und dem großherzoglichen Bauamt in Darmstadt wurde der Antrag geprüft und positiv beschieden. Die Darmstädter Behörde beauftragte den großherzoglichen Landbaumeister Michael Spieß mit der Planung und Bauleitung des Kirchenerweiterungsbaues.
Nach seinen Plänen wurde die barocke Kirche in den Jahren 1807/1808 um zwei Achsen nach Süden verlängert. Die alte Barockfassade wurde mit ihren wesentlichen Bestandteilen nach Süden gerückt und eine Verlängerung durch den Einbau von zwei neuen Fensterachsen erreicht. Die Rundbogenfenster wurden den barocken in allen Einzelheiten angeglichen, auch die großen Fenster am Hauptportal wurden ähnlich wie die Chorfenster gestaltet. Die Gesamtkosten für den Erweiterungsbau der Kirche betrugen 4138 Gulden und 34 Kreuzer.
Auf das verlängerter Kirchendach wurde an der Südseite 1809 nach Plänen des Weinheimer Stadtbaumeisters Jakob Rutz ein Türmchen aufgesetzt. Aus einer spezifizierten Kostenaufstellung, die sich im Hemsbacher Stadtarchiv befindet, ist ersichtlich, daß die Baukosten 562 Gulden betrugen. Das Türmchen diente zur Unterbringung des Uhrwerks einer neuen Kirchenuhr, die von Uhrmacher Erasmus Oppenrieder aus Mannheim eingebaut wurde. Die Glocke für das neue Uhrtürmchen goß Glockengießer Lucas Joseph Speck aus Heidelberg. Sie trägt die Inschrift "Lucas Speck in Heidelberg goß mich für die Gemeinde Hemsbach Anno 1809". Die gesprungene Glocke steht heute noch im Kirchturm.
Der Innenraum der Kirche wurde nach dem Erweiterungsbau neu gestaltet. Eine Empore wurde eingebaut, neue Kirchenbänke angeschafft, und Kirchenschiff und Chor erhielten eine sakrale Ausschmückung.

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