Der schützende und zugleich beherrschende Standort der Kirche oberhalb des Ortes ist Sinnbild der Bedeutung, die der Kirche im Dorf zukam. Über Jahrhunderte prägte sie das Gottes- und Weltbild der Dorfbewohner. Sie bestimmte maßgeblich, was als gut und böse, wichtig und unwichtig galt. Kirche und Dorf bildeten eine Einheit. Die heutige Trennung von kirchlichem und weltlichem Bereich wäre für den mittelalterlichen Menschen unvorstellbar gewesen. Der Mensch des Mittelalters sah die natürliche Welt noch als Ganzes. Das Geschaffene war ihm durch die Heilstat Christi umfassend geheiligt. Dieser Zusammenhang konnte zwar durch die Sünde geschwächt, aber nie zerstört werden. Garanten des Heils waren die Heiligen, für unsere Gemeinde der heilige Laurentius, der heilige Bonifatius, die heilige Katharina und der heilige Wendelin.
In Urkunden wird aufgezeigt, wie geschichtliche und kirchengeschichtliche Strömungen im Dorf erfahrbar wurden. Spürbar wurden die Folgen der Machtkämpfe, in die die Mainzer Erzbischöfe in ihrer Rolle als Kurfürsten und Kanzler verstrickt wurden. Ein großer Anteil der Rechte kam den Dorfherrn, den Fürstbischöfen von Worms zu. Sie besaßen das Patronat über die Kirche. Das Patrozinium ist die Schutzherrschaft eines Heiligen über eine Kirche oder über kirchliche Betreuung. Die spätmittelalterliche Volksfrömmigkeit fand in der Heiligenverehrung ihren stärksten Ausdruck. Das Patrozinienwesen wurde so verfeinert, daß sogar die Zuständigkeit der einzelnen Heiligen für besondere Bevölkerungsgruppen und bestimmte Tätigkeiten festgelegt war. Eine wichtige Rolle im kirchlichen Leben spielten nach der Reformation die Pfälzer Kurfürsten. Sie waren Landes- und Gerichtsherren und Bischöfe der reformierten und lutherischen Kirche in der Pfalz. Die Menschen im Dorf erlebten die großen Zeiten der Kirche und
den Auftrieb der Reformbewegungen. Sie litten aber auch unter Fehlentwicklungen.
So stellte sich die Kirche für den Dorfbewohner wechselnd da: verkündigend
und lehrend, dienend und helfend, nach Macht strebend und für Andersdenkende
bedrohlich. |
Quelle: Kühner, Hemsbach 2001. |
Die Zeit zwischen 1700 und 1780 darf man als einen Abschnitt in der Pfarrgeschichte
bezeichnen, in dem das religiöse katholische Leben blühte.
Unter anderem war die Verehrung des heiligen Kreuzes ein Zeugnis des frommen
Sinnes der Hemsbacher Katholiken. Vor Einweihung der neuen St. Laurentius-Kirche
im Jahr 1751 bauten die Katholiken am Weg zum Kreuzberg auf dem Gewann Au als
Vorstation ein Bergkapellchen, und auf dem Kreuzberg wurde die Kapelle ausgebaut
und erweitert. Für die Einsiedler, die aus dem Dritten Orden des heiligen
Franziskus kamen, baute man eine Eremitage.
Jährlich pilgerten Tausende zum Kreuzberg. An den Hauptwallfahrtstagen:
Kreuzauffindung, Pfingstmontag, Kreuzerhöhung und am St.Wendelinus-Tag
kamen Prozessionen aus allen Pfarreien des Bergsträßer Landkapitels
und aus Pfarreien der Diözese Worms zur Wallfahrtskapelle. Feierliche Prozessionen
zogen an Fronleichnam und am 22. August, dem Tag der "Ewigen Anbetung"
durch die Straßen und Gassen der Gemeinde. Eifrig beteiligten sich die
Gläubigen aber auch an den jährlichen Wallfahrten nach Walldürn,
Maria Einsiedel bei Gernsheim, Waghäusel und Oggersheim.
Entlang der Prozessions- und Wallfahrtswege wurden Kreuze errichtet. Das Kreuz,
heute noch vor der Kirche, mit der Inschrift: "Nicht das Holz und Stein
ich ehre, nur die Glorie Jesu mehre" wurde 1750 gestiftet. Es ist dies
eine typische Kreuzinschrift für Gegenden in denen - wie hier in Hemsbach
- Katholiken und Reformierte zusammenlebten. In der reformierten Kirche war
die Darstellung Jesu am Kreuz verboten.
Quelle: unbekannt |
Um 1750 zählte die weitverzweigte Pfarrei 1759 Seelen. Es wohnten
in Hemsbach 612, auf dem Rennhof 46, in Balzenbach 17, auf dem Watzenhof
14, auf dem Schafhof 9, in Sulzbach 212, in Laudenbach 618 und in Ober-Laudenbach
231 Katholiken. |
Einer Diebesbande war es 1785 gelungen, ein vergittertes Sakristeifenster aufzubrechen
und die wertvollen Kelche, Monstranzen und mehrere Meßgewänder zu
rauben. Der damalige Pfarrer Josef Wolfgang Keck berichtete am 5. April dem
Mainzer Domkapitel, dass der Gesamtschaden 800 Gulden betragen hat. Von den
Tätern und dem Verbleib des Kirchenschatzes konnte trotz eifrigen Nachforschens
nie etwas in Erfahrung gebracht werden.
Aus den Protokollen des Mainzer Domarchivs erfahren wir, dass der Wormser Weihbischof
Stephan Alexander Würdtwein (1783-1796) am 12. April 1785 in Worms "einen
Kelch mit Patene für die Pfarrkiche in Hemsbach, Diözese Mainz, die
acht Tage zuvor aller heiligen Gefäße beraubt wurde" geweiht
hat. Weitere zwei Kelche mit Patenen, ein Ziborium und eine Lunula weihte er
am 13. Mai 1785.
Vor dem Jahre 1800 begann in der großen Welt eine Zeitenwende. Unter
den Auswirkungen der französischen Revolution und des kirchenfeindlichen
Aufklärertums brach eine Jahrhunderte alte staatliche und kirchliche Ordnung
zusammen. 1757 wurde Mainz mit dem linksrheinischen Teil des Kurfürstentums
der Französischen Republik einverleibt. Die Pfarrei St. Laurentius Hemsbach
mit allen ihren Filialen gehörte damals zur Erzdiözese Mainz. Die
Unterhaltungspflicht der hiesigen Kirche, für Chor und Kirchenschiff oblag
dem Domkapitel des Mainzer Erzbistums. Für die Verwaltung des Erzbistums
war das Erzbischöfliche Vikariat Aschaffenburg zuständig. Erzbischof
Karl Theodor von Dalberg (1802-1812) war nur noch dem Namen nach Erzbischof
von Mainz; er residierte in Regensburg, das ihm gewissermaßen zum Ausgleich
mitunterstellt wurde. In seiner Eigenschaft als Bischof von Worms errichtet
er in Lampertheim ein Vikariat. Damit war eigentlich das Ende des Erzbistums
Mainz und Bistum Worms gekommen.
Die Reichsstadt Worms verlor ihre Bedeutung als selbständiger Stadtstaat.
Das weltliche Territorium des Wormser Bischofs fiel Frankreich und damit entschädigten
Landesfürsten zu. Die Grundlage des Fürstbistums als weltliche Herrschaft,
zu der von 1485 bis 1705 Hemsbach gehörte, war zerstört.
Das Patronatsrecht der St. Laurentius-Kirche war infolge der geänderten
politischen Verhältnisse von Kurmainz an das Großherzogtum Hessen
übergegangen. Großherzog von Hessen-Darmstadt war Ludwig I.(1790-1830).
Hessen übernahm vom Mainzer Domkapitel die Besitzrechte an der Kirche.
Chor und Kirchenschiff, für deren Unterhaltung seither die Mainzer Hofkammer
und die Mainzer Domherren zuständig waren, wurden der Bauaufsicht des Hessisch-Großherzoglichen
Bauamtes in Darmstadt unterstellt.
Nach den Bestimmungen des Friedensvertrages von Lunéville, 1801, sollten
die deutschen Fürsten für ihre Verluste an Land und Leuten in den
an Frankreich abgetretenen linksrheinischen Besitzungen entschädigt werden.
Die zweijährigen Verhandlungen fanden am 25. Februar 1803 ihren Abschluß.
Sie führten zur Auflösung der Rheinpfalz und zum Übergang Hemsbachs
an Baden. Am 25. Juli 1803 huldigten in Ladenburg die weltlichen Vertreter der
Gemeinde Hemsbach dem Markgrafen Karl Friedrich von Baden. Die Geistlichen erhielten
die Weisung zur Änderung des Kirchengebetes für den Landesherren.
Die Kellereiorte Hemsbach, Laudenbach und Sulzbach wurden vom Amt Ladenburg
getrennt und dem Amt Weinheim zugeteilt. Durch Verordnung am 26. November 1809
wurde das Großherzogtum Baden in "Kreise" eingeteilt. Hemsbach,
im Amt Weinheim gelegen, gehörte zum sogenannten Neckarkreis.
Auf kirchlichem Gebiet waren mit dem Übergang an Baden tiefgehende Veränderungen
verbunden. Durch die badischen Edikte am 11. Februar 1802 und 14. Mai 1807 erhielten
alle Konfessionen im Land Anerkennung und staatlichen Schutz. Markgraf Karl
Friedrich wurde Oberhaupt der Reformierten und Lutherischen Kirche von Baden.
Die Regierung erteilte 1801 der lutherischen Gemeinde Hemsbach die Erlaubnis
zur freien Religionsausübung. Damit war das Recht verbunden, die Simultankirche
für ihre Gottesdienste zu benutzen. Die lutherische Gemeinde Hemsbach,
zu der Sulzbach, Laudenbach und Ober-Laudenbach gehörten, zählte 330
Gemeindemitglieder. Seelsorger der Lutheraner war der Weinheimer Altstadtpfarrer.
Schon 1724 hatten die Lutheraner die freie Religionsausübung gefordert.
Vor allem die reformierten Pfarrer, die sich auf die Verfügungen im Regensburger
Rezess berufen hatten, in dem nur die katholische und reformierte Religion in
Hemsbach und Laudenbach zugelassen war, verhinderten die Entfaltung der Lutheraner.
Sie erreichten durch einen Erlaß des Oberamtes Ladenburg, daß den
lutherischen Pfarrern alle kirchlichen Amtshandlungen und die seelsorgerliche
Betreuung ihrer Gläubigen verboten wurde. Von den Spannungen zwischen den
protestantischen Konfessionen berichten die katholischen Kirchenbücher.
Viele Lutheraner ließen vor 1780 ihre Kinder vom katholischen Pfarrer
taufen und ihre Angehörigen katholisch beerdigen.
Vor dem Erweiterungsbau der Kirche wurden die Besitzverhältnisse der Kirchengüter
in Hemsbach und Laudenbach neu geregelt. Eine Kommission stellte fest, welche
Kirchengefälle, Pfarr- und Lehrerkompetenzen bestanden. Auf Grund dieser
Feststellungen wurde das Kirchenvermögen am 24. Oktober 1806 hälftig
geteilt. Gegen diese Teilung erhoben die Lutheraner Einspruch. Sie verlangten,
daß ein Drittel des Kirchenvermögens ihnen zugeteilt wird. Ihr Antrag
wurde von der badischen Landesregierung abgelehnt.
Nach der Teilung des Kirchenvermögens im Jahre 1806 stellten die Kirchenvorstände
der katholischen und reformierten Pfarrei, unterstützt von dem damaligen
Hemsbacher Schultheiß Georg Anton Wigand, den Antrag, die zu klein gewordene
Kirche zu erweitern. Von der hessischen Hofkammer und dem großherzoglichen
Bauamt in Darmstadt wurde der Antrag geprüft und positiv beschieden. Die
Darmstädter Behörde beauftragte den großherzoglichen Landbaumeister
Michael Spieß mit der Planung und Bauleitung des Kirchenerweiterungsbaues.
Nach seinen Plänen wurde die barocke Kirche in den Jahren 1807/1808 um
zwei Achsen nach Süden verlängert. Die alte Barockfassade wurde mit
ihren wesentlichen Bestandteilen nach Süden gerückt und eine Verlängerung
durch den Einbau von zwei neuen Fensterachsen erreicht. Die Rundbogenfenster
wurden den barocken in allen Einzelheiten angeglichen, auch die großen
Fenster am Hauptportal wurden ähnlich wie die Chorfenster gestaltet. Die
Gesamtkosten für den Erweiterungsbau der Kirche betrugen 4138 Gulden und
34 Kreuzer.
Auf das verlängerter Kirchendach wurde an der Südseite 1809 nach Plänen
des Weinheimer Stadtbaumeisters Jakob Rutz ein Türmchen aufgesetzt. Aus
einer spezifizierten Kostenaufstellung, die sich im Hemsbacher Stadtarchiv befindet,
ist ersichtlich, daß die Baukosten 562 Gulden betrugen. Das Türmchen
diente zur Unterbringung des Uhrwerks einer neuen Kirchenuhr, die von Uhrmacher
Erasmus Oppenrieder aus Mannheim eingebaut wurde. Die Glocke für das neue
Uhrtürmchen goß Glockengießer Lucas Joseph Speck aus Heidelberg.
Sie trägt die Inschrift "Lucas Speck in Heidelberg goß mich
für die Gemeinde Hemsbach Anno 1809". Die gesprungene Glocke steht
heute noch im Kirchturm.
Der Innenraum der Kirche wurde nach dem Erweiterungsbau neu gestaltet. Eine
Empore wurde eingebaut, neue Kirchenbänke angeschafft, und Kirchenschiff
und Chor erhielten eine sakrale Ausschmückung.